Ich reise, weil ich jedes Mal reicher zurückkehre. Ich hamstere Leben und ich finde es in den verschiedensten Dingen. Blicke, Straßen, Gerüche, Farben, Geschmack… meine Sinne sind meine Antennen.

Ich stelle mir gern vor, ich wäre eine Biene, die von einer Blume zur nächsten fliegt und sich mit Pollen belädt, den sie dann in Honig umwandelt, eine süße Energiequelle für die kommenden Monate bis zur nächsten Reise. Wie die Biene bin auch ich sehr erregt, wenn ich etwas Schönes finde, ich erzähle und zeige es allen, die mir begegnen. Wie die Biene weiß auch ich, dass wenn ich von einem Ort zum nächsten wechsle, ich Spuren dessen hinterlasse, was ich in den Jahren gesammelt habe. Und so trage auch ich im Kleinen dazu bei, winzige Wissensteilchen zu verbreiten und ich stelle mir eine reichere, weisere und blühendere Welt vor.

Ich reise in Gesellschaft von Freunden und für dieses Wochenende haben wir uns von Marcos Leidenschaft inspirieren lassen. Er ist Archäologe, unser Indiana Jones aus dem Mugello, und er will uns mitnehmen auf eine Entdeckungsreise auf den Spuren der Römischen Republik südlich des Flusses Po.

Ihr seid erstaunt? Klingt es besser, wenn ich sage: Alba Pompeia, Augusta Bagiennorum, Hasta und Pollentia? Nein? Ok, neuer Anlauf. Wenn ich sage: Alba, Benevagienna, Asti, Pollenzo… Trüffel, Wein, und UNESCO-Landschaften? Wenige magische Worte beschreiben das Ziel unserer Tour: Langhe Monferrato Roero, berühmt für große Weine und gastronomische Traditionen, aber zu Unrecht weniger bekannt für seine Geschichte und seine unglaublich vielen künstlerischen und kulturellen Eindrücke.

Wir reservieren nur selten, reisen auf Sicht und lassen uns dabei von unserem Fachmann leiten. Wir übernachten in einem Agriturismo mitten in der Natur und bestellen eine unterirdische Besichtigung, Alba Sotterranea, bei der wir eine römische Stadt entdecken, die im Bauch jener mittelalterlichen Stadt gefangen ist, die heute als Hauptstadt der Trüffel und anderer gastronomischer Köstlichkeiten bekannt ist. Auch das Museo Eusebio schauen wir uns an. Mit seinen zahlreichen Ausstellungsstücken erzählt es uns alles über die Geschichte, Kultur, Wissenschaft und Natur der Langhe.
 

Wir kommen nach Pollenzo, wo uns ein Kollege von Marco empfängt und uns auf eine für das ungeübte Auge gar nicht so einfache Entdeckungsreise der römischen Stadt mitnimmt. Wir betreten sogar Privathäuser, in denen die stolzen Bewohner uns die Schätze zeigen, die in ihren Kellern bewahrt werden. Heute ist Pollenzo weltberühmt, denn hier hat Slow Food seinen Sitz und die Università di Scienze Gastronomiche. Ein Muss ist daher der Besuch der bedeutenden Weinbank, der Banca del Vino, um von jenem Nektar zu probieren, der schon in der Römerzeit gut gelungen ist. Aus dem Menü der Erfahrungen wählen wir, was wie für uns gemacht scheint: eine Winefulness-Tour. Der Weg zum Bewusstsein führt über die Aromen des Weins. Das lässt sich schwer beschreiben, man muss es probieren.

Nächste Etappe… Bra mit dem Palazzo Traversa und dann suchen wir die Bar auf, in der der Schriftsteller Giovanni Arpino verkehrte. Dort gönnen wir uns, mit weniger Bewusstsein, aber umso größerer Freude am Genießen, einen reichhaltigen Aperitif. In Benevagienna erwartet uns das größte Zeugnis römischer Spuren in dieser Gegend, nämlich ein wunderschönes Amphitheater, das bei sorgfältigen Ausgrabungen zum Vorschein kam. Wir besichtigen auch den Palazzo Lucerna di Rorà, in dem sich das Städtische Archäologiemuseum befindet.
 

Den letzten Tag widmen wir Asti. Auch diese Stadt hat wie Alba eine ruhmreiche mittelalterliche Vergangenheit, aber in ihrem Innern und mit der Stadtmauer und dem roten Turm, Torre Rossa, erzählt sie eine noch ältere Geschichte. Da wären das Domus Romana und die Krypta von Sant’Anastasio, das Paläontologisches Museum, aber das Glanzstück ist der monumentale Komplex von San Pietro in Consavia mit seiner harmonischen Dimension. Nur wenige wissen, dass sich hier ein kleines, archäologisches Museum befindet (das bald umzieht). Wenn wir Glück haben, treffen wir auf die „Signora delle ninfee“, die Dame der Seerosen, eine ägyptische Mumie, die erst kürzlich ihr Gesicht offenbart hat. Eine faszinierende und geheimnisvolle Geschichte rankt sich um diese Mumie, die aus dem Alten Ägypten stammt und vom Mäzen Leonetto Ottolenghi nach Asti gebracht wurde. Dank einer Computertomographie und erkennungsdienstlicher Techniken war es möglich, ein dreidimensionales Bild zu rekonstruieren. Diese geheimnisvolle Frau lebte neun Jahrhunderte vor Christus. Sie reiste durch die Zeit und mit ihrem seltenen, mit Blumenmotiven verzierten Grab erzählt sie uns von einer weit zurückliegenden Vergangenheit. Ihr Name ist uns nicht bekannt, aber ganz sicher war sie eine junge und schöne Frau. Der Sarkophag zeigt ihre Gesichtszüge, den sanften Ausdruck ihrer großen Augen, der umgeben ist von weißen und blauen Seerosen. Da sind sie wieder, die Blumen, und ich kehre glücklich nach Hause zurück.

Wie eine Biene errege ich mich und berichte Freunden und Bekannten von diesem Wissensvorkommen, diesen Farben und diesem Geschmack.

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