Asti, das Viertel der Kathedrale

Asti, das Viertel der Kathedrale

Städtische Routen

Asti, das Viertel der Kathedrale
Wer gerne die weniger offenkundigen Besonderheiten einer Stadt entdeckt, die feinen Stimmungen und die versteckten Details, für den hält das Viertel der Kathedrale von Asti unendlich viele, angenehme Überraschungen bereit.

 

Denn dieses romanisch-gotische Meisterwerk ist das Herz der Altstadt und getreuster Zeuge der Geschichte und der Traditionen des Viertels. Es fällt nicht schwer, sich das wahre, wimmelnde Leben dieser Stadt im 14. Jahrhundert vorzustellen. Von der Piazza Cattedrale nehmen wir die Via Cardinal Massaia, an der gleich der bedeutende Palazzo Mazzola steht, der noch aussieht wie ein Festes Haus, aber Fenster, Prunktreppen und Loggien der Renaissance aufweist und im Innern bemerkenswerte Kassettendecken. Heute hat das unschätzbare Archivio Storico (Historisches Archiv) hier seinen Sitz. Mit dem berühmten Codex Astensis „Malabayla“ und dem fundamentalen Codice Catenato, dem angeketteten Buch mit den Statuten Astis, ist es das wahre Gedächtnis der Stadt. In den Sälen des ersten Stocks befindet sich das Museo del Palio (Museum des Palio).

Weiter geht es in die Via del Varrone, Nr. 54. Hier steht der Palazzo Pelletta, auch Casa di Pilato (Haus des Pilatus) genannt, vielleicht weil sich hier eine der Kreuzwegstationen der Osterprozession befindet. Das oberste Stockwerk ist mit drei bunten gotischen Fenstern verziert. Die Pelletta waren schon im 12. Jahrhundert Bankiers im Aosta-Tal, in Savoyen und in Köln und eine der reichsten Familien der Stadt, wie die Vorhalle des Seitenportals der Kathedrale bezeugt, die sie in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts spendeten. In der Via del Varrone Nr. 30 kann man die Überreste eines römischen Hauses (Domus Romana) mit seinem herrlichen Mosaikfußboden bewundern, ein Erbe von Hasta Pompeia. Der Straßenname erinnert an die Überreste der römischen Burg der Varroni (castrum vallonii), die das westliche Stadttor bewachte. Ein Bummel durch das unerwartete Labyrinth der Gassen im Rücken der mittelalterlichen Stadtmauer ist wärmstens zu empfehlen, sowohl in der Via Testa, als auch in der romantischen, im Kreis verlaufenden Via Gabiani.

Von der Via del Varrone treffen wir auf den gepflasterten Corso Alfieri, die alte Contrada Maestra, einst der decumanus maximus der römischen Stadt und noch immer das Herz der Altstadt. Hier stand das Westtor des castrum, wie der Torre Rossa (Rote Turm) bezeugt, einer der schönsten Türme der Stadt und römischen Ursprungs. Der 16-seitige, stark an die Porta Palatina in Turin erinnernde Turm wurde im romanischen Stil erhöht und schließlich als Kirchturm für die angrenzende, schöne Barockkirche Santa Caterina genutzt. Diese hat einen elliptischen Grundriss und wurde an der Stelle ihrer Vorgängerin, der Kirche San Secondo errichtet. Der römische Soldat und Märtyrer, wurde hier im Jahr 119 n. Chr. gefangen gehalten, woran eine Statue im Turm erinnert. Kurz dahinter kann man noch die Reste der mächtigen Stadtmauer sehen (14. Jh.), die jenseits der Porta Torino hinter der Allee Viale dei Partigiani verläuft bis hinauf zum einstigen castrum episcopi, oder Castel Vecchio. Man kann die alte Stadtmauer auf einem angenehmen Fußgängerweg im Grünen ablaufen bis zum Bosco dei Partigiani (Partisanenwald), wo die Mauer und der Weg bergab in Richtung Piazza Alfieri bis zur Via De Gasperi führen.

Wir schlendern nun über den monumentalen Corso Alfieri. Die Nr. 422, auf der rechten Seite, war einst die Bar Mocambo, eine Huldigung an den großen Paolo Conte, den Anwalt aus Asti, der als junger Jazzmusiker aus der Provinz eine außergewöhnliche Karriere machte und nun in den Theatern der ganzen Welt auftritt. Etwas weiter steht mit der Nr. 381 der Palazzo des ehemaligen Waisenhauses Michelerio, mit seinem entzückenden Innenhof, der schmucklosen, aber stimmungsvollen Jesus-Kirche und dem faszinierenden Museo dei Fossili (Fossils Museum) – Parco Paleontologico Astigiano. Hier wird die Geschichte des prähistorischen Meeres und seiner unter den Hügeln des Monferrato versteckten Fossilien erzählt, allen voran der mythische Wal „Tersilla“.

Direkt nach der Piazza F.lli Cairoli, die wegen des Reiterdenkmals für Umberto I von den Einwohnern Astis auch Piazza del Cavallo (Pferde-Piazza) genannt wird, steht das erste Werk des großen Benedetto Alfieri aus Asti. Der zu den Vätern des piemontesischen Barocks zählende Architekt „modernisierte“ das aus dem 13. Jahrhundert stammende Haus seines Vetters Vittorio, den monumentalen Palazzo Alfieri

Der berühmteste Bürger Astis wurde 1749 hier in der Nr. 375 des Corsos, der heute seinen Namen trägt, geboren, um dann ganz Europa zu bereisen und zu beschreiben. Der Palazzo wurde der Stadt später vom Grafen Ottolenghi gestiftet und bewahrt als Museum die privaten Gemächer der Alfieri und das immense Archiv des Centro Studi Alfieriani. Faszinierend ist der bei den letzten Renovierungsarbeiten wiederentdeckte, mittelalterliche Turm. In den labyrinthischen Kellern befindet sich das überraschende Museo Guglielminetti (Guglielminetti Museum), mit Werken, Entwürfen und Modellen des großen Bühnenbildners aus Asti. 

Nach dem Palazzo Alfieri kehren wir zurück ins Mittelalter. Am Horizont über dem Corso ragt bereits der hohe Torre Comentina (Comentina Turm) empor, während auf der rechten Seite der achteckige Turm der ghibellinischen De Regibus (13. Jh.) hervorlugt, der an einer Ecke steht, die von jeher „Angolo dei Tre Re (Ecke der drei Könige)“ genannt wurde. Dazu gehörten drei Türme: der achteckige, der einst knapp 40 Meter hoch war, ein dreieckiger, der sich heute innerhalb der Häuser befindet, und ein quadratischer. Letzterer ist wahrscheinlich der heute „del Quartero“ genannte. Er steht an der Ecke Via Roero/Corso Alfieri und ist zum Corso hin deutlich „abgeschnitten“. Gegenüber, gleich hinter der Biblioteca Astense, steht das noble Klassische Gymnasium aus dem 19. Jahrhundert, das jedoch auf den Überresten eines großen Klosters errichtet wurde. Die Keller des Gymnasiums halten eine weitere, angenehme Überraschung bereit: das Museo Lapidario (Museum der Steinmetzkunst ) – Krypta Sant’Anastasio, eines der faszinierendsten Museen der Stadt. Man kann die herrliche Krypta aus der Zeit der Langobarden betreten (11. Jh.), mit Kapitellen aus älteren Epochen, die zur verschwundenen Kirche Sant’Anastasio gehört, eines der bedeutendsten Bauwerke Astis. Bald zieht auch das Archäologische Museum vom Kloster San Pietro in Consavia hierhin um.

Die barocke Handschrift des Benedetto Alfieri taucht auf unserem nächsten Abschnitt wieder auf, wo er zwei der reichsten Palazzos der Stadt entwarf. Mit der Nr. 357 errichtete er den prunkvollen Palazzo dei Mazzetti di Frinco, heute Sitz der Pinacoteca Civica (Städtischen Pinakothek). Im Lauf der Jahrhunderte hatte er zu Gast den König und Napoleon I.

Gegenüber, mit der Nr. 350, steht der Palazzo Ottolenghi. In den herrlichen, freskierten Sälen befinden sich wiederentdeckte Meisterwerke der Renaissance, die man im ihnen gewidmeten Museum bewundern kann. Im Palazzo Ottolenghi befindet sich auch das Risorgimento Museum

Wir kommen nun zur Piazza Roma, die zwischen den schönen Alganon-Gärten und dem Denkmal der Einheit Italiens liegt. Hier erinnert fast alles an das Werk des großen Wohltäters Leonetto Ottolenghi. Der hohe Torre Comentina, auch Turm von San Bernardino genannt, ist mit seinen 38,5 Metern der höchste mittelalterliche Turm des Piemonts. Dieses intakte Meisterwerk stammt aus dem 13. Jahrhundert, im Gegensatz zum umliegenden, neugotischen Gebäude, dem Castello Medici, aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Wir biegen links ab in die Via Rossi und kreuzen dann die Via Carducci, an deren Ecke der massige Palazzo Bunej steht, der seit dem 15. Jahrhundert Bischofssitz ist. Gegenüber liegt das auch wieder von Alfieri entworfene Seminar. Unter den Bäumen des kleinen Platzes zwischen den beiden Gebäuden steht die Steinsäule „der Barmherzigkeit“, an deren Fuß die Hinrichtungswerkzeuge verbrannt wurden. Palazzo Bunej war eines der mächtigsten Festen Häuser der Stadt. Noch heute sind an der Fassade drei der gekappten Türme erkennbar. Der Bischof von Asti war lange Zeit sehr mächtig, da er nicht nur die religiöse Autorität der Diözese darstellte, sondern auch Träger der zivilen Gewalt war, der vom Kaiser zum Grafen ernannt wurde. Die Via Carducci führt uns mit wenigen Schritten zum einzigen, noch erhaltenen Gebäude der Solaro, einem Turm von 1350. Die Solaro waren die reichste Adelsfamilie Astis. Wir bummeln durch die Via Carducci zur baumbestandenen Piazza Castigliano mit einer aufragenden Seite des Palazzo Amico di Castell’Alfero, dessen Hauptfassade auf die Piazza Cattedrale schaut. Gegenüber befindet sich der Palazzo del Collegio, Sitz des Museo Lapidareio (Museums der Steinmetzkunst) – Krypta Sant’Anastasio. Neben den Resten einer mit Zinnen gekrönten Mauer befindet sich auf dem Platz auch der mächtige Palazzo der Opera Pia (Frommes Werk).

Weiter geht es durch die Via Carducci bis zum Palazzo Zoya (Nr. 65), der zu den besterhaltenen der Stadt zählt. Die Seite zur Straße hin weist sechs romanische Fenster auf, darüber ein Gesims mit drei Ordnungen von seltenen Bogenfriesen. Die Spitzbögen im Erdgeschoss zeigen, dass das Straßenpflaster einst viel niedriger war.

Die Rückseite ziert eine herrliche Loggia aus Steinsäulen im Renaissancestil. Wir biegen in die Via Borgnini ein und erreichen erneut den Vorplatz der Kathedrale, über den wir von der Vorhalle des Portals der Pelletta bis zum herrlichen Kirchturm gehen. Am Palazzo Amico vorbei gehen wir durch die enge Via Cattedrale, eine der ruhigsten und romantischsten Straßen der Stadt.

An der Via Giobert angekommen, biegen wir rechts ab und kehren zum Corso Alfieri zurück, vorbei am Palazzo della Rovere auf der rechten Seite, einer fast intakten Festung aus dem 13. Jahrhundert, und am Palazzo Strata auf der linken Seite, schon fast an der Ecke Via Carducci, mit vielen zweibogigen Fenstern und zweifarbigen Spitzbögen aus Sandstein und Ziegeln. Wenn wir hingegen links abbiegen von der Via Cattedrale, treffen wir an der Via Giobert Nr. 15 auf eine weitere historische Festung, den Palazzo Falletti. Heute weist er eine schlichte Ziegelfassade mit einem schmückenden Renaissanceportal auf. Genau hier ließ sich 1303 der Marchese Giovanni I des Monferrato nieder, zum Hohn der Guelfen Falletti, die aus der Stadt geflohen waren. Die Falletti verzweigten sich dann in den Langhe und im Roero: in Barolo, Castiglione, Serralunga, Pocapaglia und La Morra.

Nun biegen wir links in die Via Natta ein und treffen zuerst auf den Palazzo Verasis-Asinari, der mittelalterliche Spitzbögen mit den Renaissance-Kreuzfenstern aus Sandstein kombiniert und im Innenhof einen Laubengang aus dem 16. Jahrhundert aufweist. Es folgen der Palazzo und der Turm der Natta, sowie der bereits erwähnte, andere Palazzo Pelletta. Die Natta zählten zu den ältesten Familien der Stadt und stammen der Legende nach von Numa Pompilius ab, dem sagenhaften zweiten König von Rom. Der Turm wurde im 14. Jahrhundert von Guglielmo Natta errichtet und war viel höher als der heutige. Wir gehen weiter bis zur Kirche San Giovanni (9.-14. Jh.), in der sich das faszinierende Museo Diocesano (Diözesanmuseum) befindet, sowie eine Krypta aus dem 8. Jahrhundert. Die Kirche gehört zusammen mit den Kreuzgängen und den Gebäuden der Sakristei zum Komplex der Kathedrale, zu der wir nun zurückkehren.

Das Gebäude wurde 1309 von Guido di Valperga begonnen und 1354 von Baldracco Malabaila fertiggestellt, aber es gab bereits zwei ältere Vorgängerbauten. Der Kirchturm aus dem 13. Jahrhundert, sowie das Taufbecken und die Weihwasserbecken sind ein Beleg dafür. Die Kathedrale Santa Maria Assunta e San Gottardo steht außerdem an einer Stelle, wo sich einst römische Tempel befanden und sie ist noch immer eine archäologische Baustelle. Die Kirche war also über Jahrhunderte ein Bauwerk, das einen Großteil des städtischen Vermögens verschlang. Den letzten bedeutenden Eingriff nahm Bernardo Vittone 1764 an der Apsis vor. Die herrliche, ausladende Kathedrale ist das bedeutendste Beispiel der Gotik im Piemont. Neben der Westfassade mit den drei großen Rosenfenstern über den drei Portalen, von denen nur noch das mittlere Zugang zur Kirche bietet, ist vor allem die Südfassade sehenswert: schmale, sehr hohe Fenster, der romanische Kirchturm (1266) und die Vorhalle des Seitenportals der Pelletta im Flamboyantstil, der heutige Zugang zur Kirche. In der Mitte des Tympanons, von dem sich ein großer Spitzbogen abhebt, der die Statue der Heiligen Jungfrau umgibt, schaut ein kleiner Frauenkopf hervor. Es handelt sich um die Madama Troyana, die Braut des Erstgeborenen der Familie Pelletta, die anlässlich der Hochzeit die Vorhalle stiftete. In der Kathedrale finden wir Werke des Gandolfino da Roreto, auch Gandolfino d’Asti genannt, des Giancarlo Aliberti und des Moncalvo. Absolut sehenswert ist die wunderschöne „Compianto sul Cristo Morto“ (Beweinung Christi), eine bemalte Terrakottagruppe von bewegender Ausdruckskraft (16. Jh.). 

Nun haben wir das Herz der Stadt erkundet, in dem sich in der Abendruhe noch immer Geschichte und Fantasie vermengen.
Text von Pietro Giovannini

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